
Simpel, aber wirkungsvoll
Das Salz-Hefe-Verfahren
Bockigen Teigen und Mehlen mit wenig dehnbarem Kleber kann man mit einer einfachen Methode zu Leibe rücken: dem Salz-Hefe-Verfahren. Bei richtiger Anwendung sorgt es für eine hohe Prozesssicherheit und verknüpft zahlreiche backtechnologische Vorteile. So bringt das Verfahren stabilere und elastischere Teige hervor, verbessert das Volumen sowie die Textur von Gebäcken und sorgt außerdem für eine lange Frischhaltung.
Eine unterschätzte Methode der Teigbereitung ist das Salz-Hefe-Verfahren. Es kann sowohl als Alternative als auch als Ergänzung zu traditionellen Vorteigführungen dienen. Dabei bietet es zahlreiche technologische sowie betriebliche Vorteile. Letztlich ist das Salz-Hefe-Verfahren ein Allrounder, der bei allen Teigführungen eingesetzt werden kann. Was aber versteht man darunter und wie genau wird dabei verfahren?
Einfache Anwendung
Beim Salz-Hefe-Verfahren wird vor dem Ansetzen eines Vorteigs zunächst die Hefe einer Salzkonzentration ausgesetzt. Diese Vorgehensweise soll dazu dienen, Teige gärstabiler und -toleranter zu machen. Die gesamte Salzmenge einer Rezeptur sowie die gesamte Hefemenge werden dafür mit der zehnfachen Wassermenge angerührt und anschließend für eine gewisse Dauer stehen gelassen. Bei einer Mehlmenge von 10 kg könnte die Salzlösung also beispielsweise so aussehen:
• 150 g Hefe (entspricht 1,5 Prozent der Gesamtmehlmenge)
• 200 g Salz (entspricht 2 Prozent der Gesamtmehlmenge)
• 2.000 g Wasser (entspricht der zehnfachen Salzmenge)
Die Salz-Hefe-Lösung sollte mindestens 4 Stunden und bis zu 48 Stunden bei maximal 25°C ruhen. Nach den ersten 4 Stunden kann die Lösung auf bis zu zwischen -6 und -8°C heruntergekühlt sowie in flüssiger Form den Teigen zur Temperatursteuerung beigegeben werden. Vor Gebrauch sollte man die Salz-Hefe-Lösung umrühren, da sich die Hefen während der Ruhezeit am Boden des Behälters absetzen.
Positiver Enzym-Effekt
Während sich die Hefen in der Salzlösung befinden, findet der Vorgang der Plasmolyse statt. Die Hefen werden dabei einem besonderen Stress ausgesetzt. Die hohe Salzkonzentration führt zur Veränderung des osmotischen Drucks in der Lösung. Bedingt wird das durch die hygroskopische (also wasseranziehende) Wirkung des Salzes. Den Hefezellen wird Zellsaft entzogen und in die Lösung überführt.
In diesem Zellsaft befinden sich einige backtechnologisch wesentliche Inhaltsstoffe, die für die Teigherstellung von besonderer Bedeutung sind. Auch nach Ende des osmotischen Drucks geben die Zellen weitere wertvolle Inhaltstoffe ab, die die Teigentwicklung positiv beeinflussen.

Das Salz-Hefe-Verfahren beeinflusst die Teigbeschaffenheit und auch das fertige Gebäck positiv
An dieser Stelle lohnt es sich, mit einem gängigen Fehlurteil aufzuräumen. In den meisten Publikationen ist bis heute zu lesen, dass die Hefen die Plasmolyse nicht überleben. Das ist allerdings nicht der Fall. Sie überleben das Verfahren, ohne abzusterben oder ihre Leistung zu verschlechtern – im Gegenteil. Die Enzyme, die durch den Zellsaft in die Salz-Hefe-Lösung gelangt sind, wirken sich bereits in der Mischphase der Knetung auf den Teig aus.
Das führt zu einer schnelleren Teigentwicklung, da die Hefen nach einer Phase der Akklimatisierung auf bereits durch Enzyme abgebaute Nahrung zugreifen können. Ihre Fermentationsrate erhöht sich, ohne die Stabilität zu beeinträchtigen. Durch die schnellere Kohlenstoffdioxid-Produktion geht der Teig schneller auf. Infolgedessen kann die Hefemenge deutlich reduziert werden oder man macht sich die schnellere Teigentwicklung gezielt bei der Planung der Produktionsprozesse zunutze.
Wirkung des Glutathions
Mit der Zellflüssigkeit gelangt auch Glutathion in die Lösung. Der Stoff hat verschiedene technologische Vorteile für die Teigherstellung. Dabei handelt es sich um ein Antioxidans, das aus drei Aminosäuren besteht: Cystein, Glutaminsäure und Glycin. Glutathion wirkt glutenklebererweichend, es löst die Disulfidbrücken im Teig teilweise wieder auf, die sich während der Teigentwicklung gebildet haben. So lassen sich Teige einfacher und schneller bearbeiten, der Umgang mit „bockigen“ Teigen wird deutlich erleichtert.
Darüber hinaus hat Glutathion noch eine weitere positive Wirkung auf den Teig, nämlich die Verbesserung der Frischhaltung und Stabilität. Das ist der antioxidativen Wirkung des Glutathions zu verdanken.
Es bietet zusätzlichen Schutz vor Mikroorganismen und stabilisiert die Verbindung verschiedener Eiweiße.
Auf diese Weise macht Glutathion die Teige wolliger, maschinengängiger und verbessert signifikant die Gärtoleranz sowie Stabilität des Teigs. Der Stoff führt außerdem zu einem größeren Volumen von Gebäcken sowie einer weicheren und gleichmäßigeren Porung der Krume.
Vorteile von Glyzerin
Sind die Hefezellen dem durch das Salz verursachten osmotischen Druck ausgesetzt, produzieren sie außerdem Glyzerin, das dem Druck entgegenwirken soll. Es wird zunächst als Schutz in die Zellwand eingelagert und später an die Umgebung abgegeben. Während der Teigherstellung entfaltet Glyzerin einige signifikant vorteilhafte technologische Wirkungen auf den Teig und die Backwaren.

Die Hefe übersteht die Plasmolyse, gibt aber wirkungsvolle Stoffe an die Salz-Lösung ab
Glyzerin ist ein Zuckeralkohol und der einfachste dreiwertige Alkohol, ein sogenannter Triol. Der Stoff verfügt über die etwa 60-prozentige Süßkraft von Zucker – was aber den Geschmack von Backwaren aufgrund der geringen Menge nicht wesentlich beeinflusst. Hingegen spielt Glyzerin aber eine entscheidende Rolle bei der Teigbereitung, indem es die Feuchtigkeitsbindung der Stärke verbessert. Wie Salz wirkt es hygroskopisch. Das bedeutet, dass es Feuchtigkeit anzieht.
Auf diese Weise erhöht Glyzerin die Elastizität des Glutennetzwerks, was zu einem besser formbaren Teig führt. Zudem wirkt der Stoff emulgierend und unterstützt somit auch die Verbindung zwischen Wasser und Fettstoffen im Teig. Dieser Tatsache ist es zu verdanken, dass Teige durch Glyzerin gleichzeitig wesentlich stabiler werden. Die Gärtoleranz verbessert sich, darüber hinaus aber auch die Dehnbarkeit des Teiges.
Unter Hitze kann Glyzerin mit Essigsäure verestern und Mono-, Di- oder Triglyceride bilden, die als Weichmacher wirken und die Stabilität der Backwaren während des Backens erhöhen. Dank seiner vollständigen Mischbarkeit mit Ethanol (zum Beispiel aus Vorstufen) wird eine gleichmäßige Verteilung im Teig erreicht, was die Textur und Feuchtigkeit des Endprodukts verbessert. So wird schließlich auch die Gebäckkrume zarter und saftiger.
Und noch an anderer Stelle kann Glyzerin punkten. Da es nach dem Backen die Retrogradation verzögert und Gebäcke somit langsamer austrocknen lässt, bleiben sie länger frisch.
Praktische Anwendung
Lange Zeit existierte die Annahme, dass sich das Salz-Hefe-Verfahren nur für die direkte Teigführung eigne, ohne die Verwendung anderer Vorstufen. Die Praxis zeigt jedoch, dass die Methode bei der Langzeitführung sowie bei der Kombination mit Vorstufen wie einem Sauerteig weitere positive Effekte zur Folge haben kann. Für folgende Situationen ist die Methode ganz besonders geeignet:
– als Weichmacher für bockige Teige
– zur Stabilisierung von Mehlen mit mäßiger Kleberqualität und beispielsweise auch bei Urgetreidemahlerzeugnissen
– zur Bildung elastischer Teige und der Volumenerhöhung bei Roggen- und Roggenmischteigen sowie bei Plunder- und anderen Feingebäcken
Folglich kann der Einsatz des Salz-Hefe-Verfahrens vor allem bei Gebäckmängeln und nicht zufriedenstellenden Backergebnissen angezeigt sein.

Das Salz wirkt hygroskopisch und entzieht den Hefezellen Flüssigkeit
Darüber hinaus gibt es Bäckereien, die die Methode grundsätzlich und bei nahezu allen produzierten Backwaren einsetzen, indem sie die Salz-Hefe-Lösung regelmäßig und jeweils für ein bis zwei Tage vorproduzieren. In diesem Fall besteht die Herausforderung darin, die Salz-Hefe-Mengen tatsächlich passend abzustimmen. Zum Teig sollte weder zu viel Hefe noch eine zu hohe Salzmenge beigegeben werden.
Sind die Zutaten erstmal in der Lösung, kann man sie darin nicht wieder reduzieren. Hingegen ist es möglich, dass bei einer höheren Salzmenge im Rezept ein Teil des Salzes sowie der Hefe zusätzlich zur Salz-Hefe-Lösung zum Teig gegeben werden kann. Hierbei gilt:
• für Brote:
– Salzmenge von zirka 1,8-2,2 Prozent, gemessen an der Gesamtmehlmenge
– Hefemenge zwischen 1,5 und 3 Prozent, gemessen an der Gesamtmehlmenge
• für Feine Backwaren:
– Salzmenge von zirka 1,5-1,8 Prozent, gemessen an der Gesamtmehlmenge
– Hefemenge bis zu 8 Prozent, gemessen an der Gesamtmehlmenge
Dieselbe Salz-Hefe-Lösung eignet sich nicht für beide Backwarengruppen.
Fazit
Das Salz-Hefe-Verfahren bietet eine sehr simple Möglichkeit, Bäckerei-Produkte aufzuwerten, ohne die Rezepturen und damit das Zusammenspiel der Rohstoffe nachteilig zu verändern. Sie ist einfach, sicher und kostenschonend. Dabei wirkt sich die Methode nicht nur auf die Teigherstellung, sondern darüber hinaus auch auf die Beschaffenheit des fertigen Gebäcks positiv aus.
Wer die einfachen Parameter kennt und richtig anwendet, sorgt für eine hohe Stabilität und gleichzeitige Elastizität von Teigen. Backwaren erhalten dank der vorgeschalteten Prozesse in der Salz-Hefe-Lösung eine zarte Krume und angenehm saftige Textur, weil sie backtechnologisch wirkungsvolle Bestandteile der Hefezelle aufschließt und besser nutzbar macht. Darüber hinaus bleiben die Gebäcke auch nach der Herstellung länger frisch.
Fotos:
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