
Von der Verkaufskraft zum Superstar
Dem Personal seinen Wert vermitteln
Ständige Personalnot, enge Dienstpläne und hohe Anforderungen der Kundschaft – all das wirkt sich nicht nur auf die Leistung des Verkaufsteams, sondern auch negativ auf das Image einer Bäckerei aus. Wer unter Druck arbeitet, ist oft weniger motiviert. Dabei lässt sich schon mit kleinen Kniffen der Stress deutlich reduzieren sowie die Begeisterung für den Verkauf neu entfachen – sodass die Mitarbeitenden wieder gerne zur Arbeit kommen und die gute Stimmung auch nach außen tragen.
Im Hinblick auf die Personalgewinnung und -bindung spielt eine positive Unternehmenskultur eine entscheidende Rolle. Die Herausforderung besteht darin, den Betrieb dahingehend zu entwickeln, dass er betriebswirtschaftlich erfolgreich ist und der Erfolg gleichzeitig auf wertschätzendem Umgang mit dem Personal basiert. Doch was genau kennzeichnet eine authentische und wertschätzende Unternehmenskultur, die die Zufriedenheit der Angestellten steigert und die Suche nach neuem Personal vereinfacht?
Einstellungen hinterfragen
Echte Wertschätzung ist eine Sache der Einstellung. Es erfordert zunächst einmal ein Umdenken des Unternehmers oder der Unternehmerin. Es gilt ab sofort, die Mitarbeitenden in den Fokus des unternehmerischen Handelns zu rücken. So eine Aussage geht leicht über die Lippen, allerdings muss sie sich auch noch im Kopf manifestieren und dann wirklich gelebt werden. Aber was bedeutet das konkret? Im täglichen Miteinander heißt es zunächst, den Mitarbeitenden Gehör zu schenken – und zwar bewusster und intensiver, als das bislang der Fall ist. Die Menschen, die für das Unternehmen arbeiten, wollen mit ihren Themen ernst genommen werden und eigene Lösungen kreieren, sich also aktiv in die Entwicklung des Unternehmens einbringen. Sinnbildlich für eine veränderte Einstellung in diesem Punkt ist die sprachliche Alltagsbezeichnung für die Angestellten. Das Wort „Personal“ wirkt deutlich distanzierter als der Begriff „Mitarbeiter/in“.
Natürlich gilt bei allen Konzepten und Überlegungen: Der Job muss auch weiterhin erledigt werden und nicht alle Wünsche der Mitarbeitenden sind eins zu eins übertragbar. Und doch sind an vielen Stellen gesunde Kompromisse realistisch sowie möglich. Oft genügen bereits kleine Schritte, um einen Wandel anzustoßen.
Unnötiges vermeiden
Viele Prozesse in Bäckereien laufen nach bestimmten Regeln ab. Das ergibt einerseits Sinn, da es einen gewissen Standard sichert. Auf der anderen Seite kann es den Handlungsspielraum der Angestellten einschränken und sie in ihrem Bedürfnis nach Autonomie beschneiden. Konkrete Handlungsanweisungen gibt es jede Menge: Vorgaben für das Handling der Kasse, fürs Ladenbacken, die Warenpräsentation, den Umgang mit Gutscheinen und so weiter.

Eine positive Unternehmenskultur hat auch Strahlkraft nach außen
Meist wurden diese Standards vor langer Zeit erarbeitet und – wenn überhaupt – nur in Auszügen aktualisiert. Vieles, was einst richtig und aktuell war, ist heute aber nicht mehr zeitgemäß. Es engt die Spielräume der Mitarbeitenden unnötig ein und verhindert sogar den Spaß an der Arbeit.
Oftmals sind es Kleinigkeiten, die die Angestellten nerven und zu unnötigen Diskussionen führen können. Insbesondere im Verkauf, wo im Kundenumgang das individuelle Geschick und die persönliche Performance des Mitarbeiters oder der Mitarbeiterin gefragt ist, braucht es gewisse Freiheiten.
Individuelle Entscheidung
Ein gutes Beispiel dafür ist das Namensschild, das viele Bäckereien ihren Verkaufskräften aushändigen und dessen Gebrauch dann obligatorisch ist. Objektiv betrachtet erzeugt ein Namensschild hinter der Theke keinen großen Mehrwert. Nur selten werden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von der Kundschaft namentlich adressiert. Unterm Strich gibt es zwar ein paar gute Gründe für Namensschilder im Verkauf, aber auch mindestens ebenso viele Gründe dagegen.
Immer wieder führt es jedoch zu Unmut bei den Mitarbeitenden. Mal wird es vergessen, dann kritisiert das die Führungskraft. Ein andermal geht es verloren, dann muss es ersetzt werden. Die Privatsphäre ist nicht gewährleistet, obwohl manche Angestellte darauf Wert legen. All das führt zu unnötigen Diskussionen. Was wäre denn, wenn alle im Team selbst entscheiden dürften, ob sie ein Namensschild tragen möchten oder nicht?
Das Erscheinungsbild der Mitarbeitenden wäre in diesem Punkt dann möglicherweise uneinheitlich. Die Praxis zeigt jedoch, dass das in der Regel keine nennenswerten negativen Auswirkungen hat. Das Gegenteil ist eher der Fall. Es verringern sich Aufwand, Kosten und Kontrollbedarf, dafür fördert man das Mitbestimmungsrecht der Angestellten sowie ihre Autonomie.
Wem die Einheitlichkeit des Erscheinungsbildes trotzdem wichtig ist, sollte am besten gleich ganz auf das Namensschild für die Verkaufskräfte verzichten.
Freiheiten lassen
Ein weiteres gutes Beispiel aus der Praxis findet sich in der Verkaufssprache. Nahezu jede Bäckerei hat Spielregeln, wie ein Verkaufsgespräch mit der Kundschaft ablaufen soll. Hier wäre die Technik der W-Fragen zu nennen, konkrete Formulierungsvorgaben für Zusatzverkäufe oder das bestätigende Nicken, das Zustimmung und Zugewandtheit signalisieren soll. Keine noch so ausgeklügelte Technik hat sich bislang als das ultimative Erfolgsmodell durchgesetzt.

Fehler müssen angesprochen werden, allerdings sollte das wertschätzend geschehen
Eher lautet die wiederkehrende Erkenntnis:
Einige Verkäufer/innen können es eben besonders und andere weniger gut. Mit anderen Worten: Die individuelle Herangehensweise ist entscheidend. Wofür aber braucht es dann noch die Vorgabe? Empfehlenswert ist es, den Mitarbeitenden aufzuzeigen, welche Verhaltensregeln generell eher einen positiven Effekt im Verkaufsgespräch haben und welche nicht.
Eine Vorgabe bestimmter Worte, Sätze oder Gesten ist allerdings weder zeitgemäß noch durchsetzbar. Stattdessen hemmt es die Individualität und führt eher zu Stagnation im Verkauf. Daher sollte man Verkaufskräften die Freiheit lassen, ihre eigene Sprache zu entwickeln. Wer Formulierungen nutzen darf, die zur eigenen Persönlichkeit passen, tut sich in Verkaufsgesprächen leichter, wirkt authentisch und fühlt sich weniger fremdbestimmt.
Natürlich sollten Vorgaben nicht gänzlich wegfallen. Sie bilden jedoch eher Leitplanken, anhand derer die individuellen Formulierungen abgeleitet werden können. Wer die Unternehmensphilosophie gut kennt, kann umso bessere und zielführende Entscheidungen treffen.
Feedbackkultur aufbauen
Fragt man Mitarbeitende nach ihren Verbesserungswünschen im Unternehmen, so rangiert die Nennung „Mehr Lob“ fast immer auf einem der vorderen Ränge. Angestellten ist es wichtig, mit ihren Leistungen gesehen zu werden. Sie möchten Bedeutung erlangen und als Individuen wahrgenommen werden. Anerkennung ist neben einem angemessenen Gehalt eine der wichtigsten Währungen der Mitarbeiterbindung.
Ein ernstgemeintes und konkretes Lob stellt dafür einen wichtigen Baustein dar. Infolgedessen stellt sich die Frage, warum Vorgesetzte häufig so sparsam mit Lob umgehen. Ein schwäbisches Sprichwort beschreibt es so: „Ned g’schmipft isch g’lobt g’nug!“ Wer also nicht schimpft, hätte genug gelobt. Eine solche Haltung wirkt sich allerdings sehr negativ auf die Zufriedenheit des Personals sowie dessen Bindung ans Unternehmen aus.
Oft suchen Chefinnen und Chefs lieber den letzten kleinen Fehler, statt Gelungenes hervorzuheben. Schließlich geht es immer noch besser. Statt Spaß an der Arbeit entsteht so jedoch eher Frust über das Verhalten von Vorgesetzten. Eine positive Unternehmenskultur benötigt neben einer konstruktiven Fehler- auch eine gute Feedbackkultur. Das bedeutet, bewusst zu loben, wo es etwas anzuerkennen gibt, und lösungsorientiert zu kritisieren, wenn etwas nicht in Ordnung ist.
Eine gut übermittelte Kritik ermöglicht es, auf Fehler hinzuweisen, ohne dass es automatisch negative Reaktionen bei Mitarbeitenden auslöst. Diese Erkenntnis sollte verinnerlicht und die Technik des Feedbackgebens als ein elementares Führungswerkzeug intensiv geschult werden. Es sichert nicht nur die wertschätzende Kommunikation im Betrieb, sondern trägt auch maßgeblich zur internen Qualitätssicherung bei.
Superstar-Feeling
„Fish!“, ein Film über die Pike-Place-Fischverkäufer/-innen in Seattle, stammt aus den 1980er-Jahren und beschreibt das Erfolgsgeheimnis dieser Menschen. Ihre Tätigkeit ist der von Fachkräften in einer Bäckerei nicht unähnlich, der Film skizziert realistisch ihre harte Arbeit, die oftmals schwierigen Arbeitsbedingungen sowie die vielfältigen Anforderungen der Kundschaft. Vor allem aber zeigt er, wie den Verkaufsprofis die Transformation aus einer langatmigen sowie eintönigen zu einer spannenden und erfüllenden Tätigkeit gelingt.

In jeder Verkaufskraft steckt ein motivierter Superstar
Der Fish!-Philosophie folgend braucht es hierzu vier Vereinbarungen:
1. Spiel und Spaß bei der Arbeit haben:
Es darf gelacht werden und Humor kann manche angespannte Situation entschärfen. Wer ein so entspanntes Arbeitsklima fördert, erhöht damit die Motivation.
2. Der Kundschaft Freude bereiten:
Schon mit kleinen Gesten lässt sich Freude in den Alltag anderer tragen. So zaubern ein freundliches Wort oder ein kleiner Plausch Kundinnen und Kunden oft ein Lächeln ins Gesicht.
3. Präsent sein im Hier und Jetzt:
Dass Multitasking zu mehr Effizienz führt, ist eine Illusion. Besser ist es, man erledigt strukturiert eine Aufgabe nach der anderen und ist dabei voll bei der Sache.
4. Eine positive Einstellung wählen:
Gute Laune ist nicht allein von äußeren Einflüssen abhängig. Jeden Morgen entscheidet man selbst, mit welcher Stimmung man in den Tag startet. Wer gute Laune in die Welt tragen möchte, sollte immer zuerst bei sich selbst anfangen.
Als Führungskraft sollte man diese vier Vereinbarungen vorleben, aber auch dem Team aktiv vermitteln. Auf diese Weise wird unter den Mitarbeitenden eher ein Gefühl von Zusammenhalt und Motivation entstehen. Wie im Film zu beobachten ist, wird so aus einer einfachen Fischverkaufskraft schnell ein Superstar, der die Kundschaft begeistert. Die Fish!-Philosophie lässt sich problemlos für den Bäckereifachverkauf adaptieren.
Wer mehr Leichtigkeit in den Joballtag bringt und die eigene Einstellung bewusst reflektiert, kann einiges bewegen. Die Fish!-Vereinbarungen verändern das Selbstbild, reduzieren Missstimmungen und führen zu einer entspannten Kundenkommunikation. Der Hebel dafür liegt in jeder Person selbst verankert. Die Umsetzung der Methode gelingt in drei Schritten:
1. Der Unternehmer oder die Unternehmerin muss bereit sein, die Fish!-Philosophie mitzutragen.
2. Mit den Mitarbeitenden erarbeiten die Vorgesetzten die vier Vereinbarungen und deren Umsetzung in den Arbeitsalltag.
3. Diese Transformation wird vorgelebt und intensiv begleitet. Gemeinsam wird die Situation regelmäßig reflektiert und das gemeinsame Handeln weiterentwickelt.
Wem es gelingt, die eigenen Mitarbeitenden für diese Neujustierung zu begeistern, wertet sie spürbar auf, verhilft ihnen zu mehr Mitbestimmung und einer deutlich gesteigerten Freude am Verkauf.
Superstar zu sein und als wertvolle Stütze des Unternehmens wahrgenommen zu werden, verändert dabei nicht nur die innere Haltung der Teammitglieder, sondern strahlt auch nach außen. So wirkt es sich nicht zuletzt auch auf das Unternehmensimage positiv aus. Neue Fachkräfte zu finden und dauerhaft an den Betrieb zu binden, wird so langfristig leichter.
Fotos:
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Zoran Zeremski