
Aromatisch und gesund
Mit fermentierten Saaten zu mehr Geschmack
Sauerteigbrot erlebt eine Renaissance und birgt große Chancen für Handwerksbäckereien. Das natürliche Triebmittel macht Brote bekömmlicher und aromatischer. Doch auch andere Zutaten sorgen für ein komplexes Geschmackprofil im Gebäck. So lassen sich statt Mehl auch Saaten fermentieren, um säuerliche Noten in den Teig zu bringen. Den Darm freut’s und den Gaumen auch.
Fermentation – ein Begriff, der derzeit in vielen Werbebotschaften zu hören ist und Lebensmittel sofort aufwertet. Dabei wird dieses Verfahren seit Jahrhunderten angewandt. Etwa ein Drittel aller in Deutschland konsumierten Nahrungsmittel sind nach Zahlen des Bundeszentrums für Ernährung fermentiert, angefangen bei Joghurt, Essig, Käse oder Kefir. Bäckerinnen und Bäcker sind mit handwerklichen Fermentationstechniken allzu vertraut. Einen Teig zu versäuern oder zur Gare zu stellen, bedeutet schließlich nichts anderes, als ihn zu fermentieren.
Vorteile der Fermentation
Dabei steht die Aktivität von Mikroorganismen im Fokus. Im Brotteig nehmen sie verschiedene Bestandteile des Mehls auf, verstoffwechseln sie und bilden dabei Gase (vor allem Kohlendioxid), die den Teig lockern. Fermentation bringt aber nicht allein die Porung ins Brot, sie hat weitere Vorteile: So sorgen die Mikroorganismen nebenbei auch für den Aromen-Reichtum. Zudem sind fermentierte Nahrungsmittel haltbarer und gelten als gesünder.
Die Fermentation lässt den pH-Wert sinken und schafft damit ein Klima, in dem sich Verderbnisbakterien sowie Schimmel weniger wohl fühlen. Schwer verdauliche Bestandteile des Mehls werden im Ferment zudem gewissermaßen vorverdaut. Darin enthaltene Vitamine, Mineralstoffe und sekundäre Pflanzenstoffe bleiben erhalten und können vom Körper besser aufgenommen werden, ebenso wird die Aufnahme von Eiweiß gefördert. Die kultivierten Milchsäurebakterien, die bei gelungener Gärung dominieren, stärken außerdem die Darmflora.

Neben Mehl eignen sich Saaten ganz hervorragend zum Fermentieren
Es gibt also gute Gründe, das Thema Fermentation auch im Marketing einer Bäckerei aufzugreifen und die Vorteile an die Kundschaft zu kommunizieren. Klassischer Sauerteig ist eine Möglichkeit, in Brot all die genannten Vorteile zu erzeugen. Durch Variation verschiedener Parameter wie Temperatur sowie Wassermenge oder die Wahl des Mehls kann man mit dem Triebmittel bereits eine große Vielfalt erzeugen.
Gleichwohl muss es nicht immer Mehl oder Getreide sein, das für den Brotteig fermentiert wird. Auch Saaten sind dafür bestens geeignet. Sie bringen zusätzliche Geschmacksnuancen in den Teig und außerdem ihrerseits eine Menge Mineralstoffe, Vitamine und Ballaststoffe mit.
Saaten und Sauerteig
Siegfried Brenneis, Fachlehrer mit Schwerpunkt Produktentwicklung an der Bundesakademie des Deutschen Bäckerhandwerks in Weinheim, lobt den intensiven Geschmack, den er bei Backversuchen mit fermentierten Sonnenblumen- und Kürbiskernen in Brot entwickeln konnte. „Ich beobachte beim Einsatz fermentierter Saaten eine bessere Teigentwicklung und auch eine höhere Stabilität der Teige“, sagt er.
Grundsätzlich können Saaten dafür in einer spontanen Gärung fermentiert werden, wie man sie beim Ansatz eines neuen Sauerteiges nutzt. Einfacher und gelingsicherer ist es, etwas bereits Fermentiertes als Anstellgut zu nutzen und die Saaten in einer kontrollierten Gärung zu verarbeiten. Für seine Gebäcke verwendete Brenneis Sauerteig als Starter, um mit den darin kultivierten Mikroorganismen die Saaten zu fermentieren. Je länger die Gehzeit, umso intensiver entwickelt sich dabei der Geschmack. Zunächst werden zum Beispiel die folgenden Zutaten mit einer TA von 170 miteinander vermischt:
70 g Wasser (warm)
100 g Sonnenblumenkerne
5 g Sauerteig
Im ersten Schritt löst man den Sauerteig im Wasser auf, anschließend wird die Ferment-Flüssigkeit zu den Kernen gegeben und untergemischt. Unter gelegentlichem Rühren lässt man die Masse anschließend 15 bis 72 Stunden bei einer Temperatur von etwa 24°C reifen. Wer die Saaten nun direkt verbacken will, kann sie unmittelbar in den Teig geben, wie es im Rezept des Saatenferment-Baguettes auf Seite 23 dieser Ausgabe der Fall ist.

Fermentation sorgt bei Lebensmitteln für eine bessere Bekömmlichkeit
In einem Vergleich ließ Siegfried Brenneis den Baguette-Teig 5 bis 6 Stunden gehen, einmal mit fermentierten Sonnenblumenkernen, einmal ohne. Die Baguettes mit dem Ferment zeigten ein wesentlich komplexeres Aroma.
Fermente trocknen
Alternativ können die fermentierten Saaten auch getrocknet werden, um sie auf Vorrat zu produzieren und später in einem Brotteig zu verarbeiten. Die fehlende Wassermenge muss dann wieder im Teig hinzugefügt werden. Um die fermentierten Saaten zu trocknen, breitet man sie auf einem Blech gleichmäßig aus und lässt sie etwa 3 bis 5 Stunden (je nach Größe und Menge der Saaten) in der Restwärme im Ofen bei etwa 50°C darren. Alle 30 Minuten sollten sie umgewälzt werden. Bei höherer Temperatur entwickeln sich dabei zusätzliche Röstaromen.
Um unterschiedliche Geschmäcker aus den Saaten herauszukitzeln, lohnt es darüber hinaus, Verschiedenes auszuprobieren. Während Sonnenblumenkerne per se eine leichte Süße mitbringen, schmecken Kürbiskerne generell nussiger und leicht cremig. Als Anstellgut für das Ferment eignen sich grundsätzlich alle Sauerteige, „mit Dinkelsauerteig habe ich jedoch die besseren Ergebnisse erzielt“, sagt Brenneis. So ergab das Sonnenblumenkern-Ferment mit Roggenanstellgut eine spitzere Säure als mit dem Dinkelstarter.
Darum sind versäuerte Gebäcke gesünder
Durch Versäuerung sinkt der pH-Wert des Teiges und die Bildung von Capronsäure oder Phenyl-Milchsäuren wird gefördert. Während des Gärprozesses entstehen zudem antimikrobielle Stoffwechselprodukte. Beide Effekte hemmen die Schimmelbildung. Daneben bilden sich Diacetyl, Acetaldehyd oder Wasserstoffperoxid. Auch sie wirken antimikrobiell. Zudem wird durch den Sauerteig Phytinsäure im Getreide abgebaut. Diese Säure bindet die Mineralien des Korns. Ihr Abbau macht sie für den Menschen verfügbarer. Mehr Nährstoffe also für den Körper. Der freut sich ohnehin schon über den niedrigen glykämischen Index, also die langsamere Aufnahme von Glucose im Blut während der Verdauung. Letztlich finden sich im Sauerteig Kulturen wie der Lactobacillus sanfranciscensis, die sogenannte Exopolysaccharide bilden. Sie fördern das Wachstum von Bifidobakterien im Darm. Ein Plus für die Darmflora.
Unterschiede beachten
Auch die Wasseraufnahme der Saaten unterscheidet sich. „Kürbiskerne haben eine geringere Wasseraufnahme als Sonnenblumenkerne.“ Hier kann man die Teigausbeute des Ansatzes also auf 150 bis maximal 160 reduzieren. Gleichzeitig dauert bei den größeren Kernen aufgrund ihrer härteren Schale die Aufnahme der fermentierten Flüssigkeit tendenziell 12 bis 24 Stunden länger.
Klar ist, dass die Mikroorganismen aus dem Ferment die Hitze im Backofen nicht überleben und sich daher später nicht im Darm ansiedeln werden. Ihre Arbeit findet vor dem Backen statt, indem sie den Brotteig bekömmlicher machen. Gleichwohl lohnt es sich, den Trend zu Fermentiertem im Marketing bewusst zu betonen und auf die möglichst lange Teigreife hinzuweisen.
Alles in allem bietet das Thema Fermentation beim Brotbacken eine Fülle von Einsatzmöglichkeiten. Saaten bringen von sich aus zahlreiche gesunde Nährstoffe mit, die durch die Gärung noch besser aufgeschlossen werden können. Als fermentierte Zutat im Brotteig sorgen sie zudem für eine verbesserte Stabilität und erzeugen im fertigen Laib ein intensives Aromenspiel.
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