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Klassischer Christstollen neu gedacht

Klassischer Christstollen neu gedacht

Einfach, vegan, lecker

Vegane Produkte werden im Lebensmittelhandel immer alltäglicher. Aber wie passt das mit einem Traditionsgebäck wie dem Christstollen zusammen, bei dem Butter schon immer eine wesentliche Rolle spielt? Der Bäcker- und Konditormeister Thomas Backenstos setzt sich schon länger mit Fragen einer veganen Ernährungsweise auseinander. Und gibt der Backbranche klare Empfehlungen.

In den Köpfen fest mit der Vorweihnachtszeit verknüpft sind Stollen. Früher eine Fastenspeise aus Wasser, Hefe und Mehl, entwickelte sich die Rezeptur seit dem 15. Jahrhundert stetig weiter. Zu dieser Zeit kam Papst Nikolaus V. einem Gesuch nach, das Butter-Verbot in der vorweihnachtlichen Fastenzeit aufzuheben. Infolgedessen wurde aus der Fastenspeise ein nahrhafter Festtagsschmaus, der traditionelle Christstollen entstand.

Heute überwachen verschiedene Institutionen die Kriterien, nach denen ein Stollen die Bezeichnung „Original Dresdner Christstollen“ tragen darf. Im Gebäck müssen gemäß der DLG-Richtlinien bei Stollenprüfungen auf eine Gesamtmenge von 100 Kilogramm Getreideerzeugnisse und Stärke mindestens 32,4 Kilogramm wasserfreies Fett, 50 Prozent davon Milchfett, 70 Kilogramm Trockenfrüchte sowie 10 Kilogramm Mandeln oder Marzipanrohmasse enthalten sein.

Bäcker- und Konditormeister Thomas Backenstos beobachtet den veganen Trend aufmerksam und gibt regelmäßig Seminare zum Thema „veganes Backen“

Während auch Zutaten wie Kristallzucker oder Butterschmalz zulässig sind, gilt das für Margarine, künstliche Aromen oder Zusatzstoffe nicht. Eier sind in der Regel kein Teil der Rezeptur, wurden in historischen Rezepten aber ebenfalls verwendet. Ein veganes Produkt, also eines ohne Zutaten tierischen Ursprungs, sieht in jedem Fall anders aus.

Vegane Alternativen
Doch auch, wenn der Klassiker nach wie vor am häufigsten über die Ladentheke gereicht wird, gibt es heutzutage eine große Vielfalt im Stollenregal der Handwerksbäckereien. Neben dem Christstollen nach Dresdner Vorbild findet man zahlreiche abgewandelte Produkte, mit denen sich Betriebe handwerklich positionieren und unterschiedliche Zielgruppen erreichen. Auch vegane Stollen sind darunter. Und zwar immer mehr, folgt man den Beobachtungen von Thomas Backenstos, Betriebsberater der Akademie Deutsches Bäckerhandwerk Südwest.

Er ist jedes Jahr bei den Stollenprüfungen des Deutschen Brotinstituts dabei und hat schon viele vegane Rezepte gesehen, die belegen, dass sich zunehmend mehr Bäckerinnen und Bäcker mit dem Thema auseinandersetzen. „Als Branche hinkt man dem veganen Trend insgesamt ein wenig hinterher, weil man so eng mit den eigenen Traditionen verwurzelt ist“, sagt Backenstos. „Eier und Butter wurden einfach schon immer verwendet.“

Dabei wächst die Zielgruppe derer, die zu veganen Produkten greifen. Rund zwölf Prozent der Deutschen ernähren sich laut einer repräsentativen Forsa-Umfrage von September 2023 vegetarisch, also fleischlos, oder auch vegan. Am stärksten sind dabei Frauen und unter 30-Jährige vertreten. Noch interessanter gestaltet sich allerdings der Blick in den Ernährungsreport 2022 des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft.

Der Stollen entwickelte sich aus einer vorweihnachtlichen Fastenspeise zum beliebten Traditionsgebäck

„44 Prozent der Befragten ernähren sich flexitarisch“, ist da zu lesen. Rund zwei Fünftel der Befragten verhalten sich demnach flexibel, sie verzichten also hin und wieder bewusst auf Fleisch sowie andere tierische Produkte. Weiter heißt es: „47 Prozent haben mindestens einmal vegetarische oder vegane Alternativprodukte zu tierischen Produkten gekauft. Damit ist der Anteil im Vergleich zum Vorjahr um vier Prozentpunkte gestiegen.“

Die Gründe dafür sind vielfältig. Genannt wurden unter anderem Neugier (75 Prozent), Tierschutz (71 Prozent), Geschmack sowie Klima/Umwelt (jeweils 64 Prozent) und gesundheitliche Aspekte (47 Prozent). Diese gar nicht mal so kleine Zielgruppe lässt sich also auch durch veganen Stollen erreichen.

Butter ersetzen
Aber wie backt man einen durch Buttergeschmack geprägten Stollen vegan? Thomas Backenstos liefert Lösungen. Am besten ersetze man Butter durch gute Margarine ohne Palmfett, sagt er. „Man muss sich nur mit der Materie auseinandersetzen und ein bisschen backen, auch mal etwas ausprobieren“, empfiehlt der Bäckermeister. Verschiedene Butterersatz-Produkte versuchen bereits, das typische Butteraroma nachzuahmen.

Aber nicht nur geschmacklich, auch technologisch muss der Butterersatz bestimmte Kriterien erfüllen. Zum einen sorgt er dafür, dass sich weitere fettlösliche Geschmacksstoffe im Teig gut verteilen. Der Teig wird durch die Zutat saftig, sie verleiht der Krume eine weiche, kuchenähnliche Textur. Gleichzeitig macht sie den Teig schwerer formbar, da das Fett Glutenmoleküle umhüllt und so die Entstehung langer Glutenstränge verhindert.

Um das Ei als Backzutat zu ersetzen, muss man zunächst die Eigenschaften des tierischen Produkts kennen

Nach aktuellen Vorschriften darf Butter höchstens 16 Prozent Wasser enthalten. Der Milchfettgehalt liegt bei mindestens 80 und weniger als 90 Prozent. Darüber hinaus besteht Butter aus fettfreier Milchtrockenmasse, also unter anderem aus Milchzucker, Eiweiß, Mineralstoffen und Vitaminen. Der Butterersatz sollte ebenfalls möglichst fetthaltig sein, um eine ähnliche Wirkung im Teig zu erzielen.

Backenstos hat bereits verschiedene am Markt erhältliche Ersatz-Produkte in Gebäcken ausprobiert. Eine klare Empfehlung spricht er für die Bio-Margarine von Alsan aus. Sie enthält 80 Prozent Fett, ist laut Hersteller zudem frei von Gentechnik und Konservierungsstoffen. Aber auch andere Ersatz-Produkte können für Stollen gut geeignet sein.

Woraus Ei besteht
Wer in einem Rezept auf Ei verzichten will, muss sich zunächst bewusst machen, was darin enthalten ist, sagt Backenstos. Zu 85 Prozent besteht es aus Wasser, das lässt sich leicht ersetzen. Entscheidend ist jedoch das Lecithin im Eigelb, das Wasser und Fett verbindet. Dass man Eigelb gegen Apfelmus oder Bananen tauschen könne, sei ein Mythos, so der Bäckermeister. Stattdessen brauche man ein Protein oder Molekül, das den natürlichen Emulgator ersetzt.

Geeignet sind dafür Proteinmehle aus Soja oder Kichererbsen. Mit einem Proteinanteil von 41 Gramm pro 100 Gramm Trockenmasse steht Sojamehl hier klar an der Spitze. Um ein Ei zu ersetzen, genügen etwa 10 Gramm Sojamehl und 80 Gramm Wasser, erklärt Backenstos. Die Mischung rührt man zunächst an, dann lässt man sie quellen und gibt sie anschließend in den Teig.

Es gibt heute zahlreiche Milchalternativen auf dem Markt, einige sind sehr gut für Stollen geeignet, andere weniger

Wer für ein Rezept außerdem noch eine Alternative für Milch sucht, kann dafür Soja-, Reis- oder Mandeldrinks verwenden. Weniger geeignet ist nach Backstos’ Erfahrung Haferdrink, da dessen Kalkzusätze das Backprodukt manchmal gräulich färben.

Außerdem kann die benötigte Menge für den Teig je nach Produkt stark abweichen, da die Drinks verschiedener Hersteller eine unterschiedliche Konsistenz haben können. Manche sind eher flüssig, andere dickflüssig. Bevor man die Milchmenge im Rezept also eins zu eins ersetzt, sollte man die Konsistenz des Milch-Ersatzes genau prüfen.

Den Teig bereiten
Mit wenigen Anpassungen in der Zutatenliste kann man eine klassische Stollenrezeptur also recht einfach in eine vegane verwandeln. Wie beim Standardstollen bietet es sich darüber hinaus an, Vorteige zu verwenden. Ein Vorteig mit langer Gehzeit begünstigt die Entwicklung der Hefen, sodass die Hefemenge verringert werden kann. Stollen mit einem hohen Hefegehalt werden sonst schnell Umständen sogar noch ein wenig das Flair
typischer italienischer Weihnachtsgebäcke in
den Stollen.

Den Stollen backen
Liegen die Zutaten erst einmal bereit, ändert sich im weiteren Ablauf in der Regel nichts mehr. Bei der Herstellung des Stollens bleiben die Grundeinstellungen sowie Angaben wie etwa die Teigtemperatur gleich. Wichtig sei allerdings, beim Backen immer die Kerntemperatur zu messen, sagt Thomas Backenstos.

Sojamehl ist sehr gut dafür geeignet, die Bindefähigkeiten des Eigelbs beim Backen zu ersetzen, da es viel Protein beinhaltet

Wer einen schwach ausgebackenen Stollen bevorzugt, backt ihn bis zu einer Kerntemperatur von 92°C. Für einen kräftig ausgebackenen Stollen empfiehlt der Bäckermeister eine Kerntemperatur von 96°C. Ist der richtige Wert erreicht, nimmt man das Gebäck aus dem Ofen und bestreicht es statt mit Butter mit der ausgewählten Margarine oder gibt ihm einen passenden Überzug.

Das Produkt vermarkten
Ist der vegane Stollen fertig, muss er nun noch von der passenden Zielgruppe gefunden werden. Backenstos empfiehlt, vegane Produkte nie als „das Beste, was es gibt“ zu vermarkten. Stattdessen seien sie als ein Baustein unter vielen für eine „gesunde, nachhaltige und regionale Ernährung“ zu betrachten.

Um niemanden von vornherein abzuschrecken, ist es ratsam, bei der Bezeichnung der Ware zurückhaltend zu agieren und lieber auf auffällige Hinweise zum veganen Produkt zu verzichten. Das typische grüne „V“ für „vegan“ mit dem Blättchen als optischer Hinweis neben der Preisauszeichnung reicht hierfür vollkommen aus. Wer sich ausschließlich vegan ernährt, wird im Zweifel gezielt nach passenden Produkten fragen.

Andere Kundengruppen kann man beispielsweise durch Verkaufsaktionen wie Verkostungen gewinnen. Auch ein kreativer Name für das Produkt könne für die nötige Aufmerksamkeit sorgen. Ein Stollen, der gut aussieht und schmeckt, wird dann auch gekauft, ist sich Backenstos sicher.


Fotos:
Andrei
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Natasha Breen
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Edda Klepp

Edda ist Chefredakteurin bei BROTpro und BROT. Seit 2016 bewegt sie sich in der backenden Branche und ist auch privat eine begeisterte Brotbäckerin. Wenn sie nicht gerade schreibt oder Teige knetet, ist sie häufig unterwegs zu Reportagen und Konferenzen oder lässt die Seele baumeln bei einem guten Buch und einer Tasse Tee.