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Retouren richtig managen

Retouren richtig managen

Raus aus der Kostenfalle

Allen Nachhaltigkeitstrends zum Trotz erwarten Konsumentinnen und Konsumenten noch am Abend eine gut gefüllte Bäckereitheke. Doch wie soll das angesichts der steigenden Löhne, Gehälter, Rohstoff- und Energiepreise funktionieren? Wer hier kein klares Konzept hat, verursacht entweder unnötig hohe Kosten oder verliert Kundschaft. Eine konsequente Analyse und gezielte Maßnahmen helfen, das Dilemma mit der Retoure zu lösen.

Es ist 18 Uhr, die Filiale am Dortmunder Stadtrand schließt und die zuständige Verkaufskraft startet mit den Nacharbeiten: aufräumen, Reinigung der Kaffeemaschine, übrig gebliebene Produkte erfassen, Geld zählen und schließlich auch den Kassenabschluss durchführen. Reine Routinetätigkeiten für das Personal. Für die Bäckerei mit ihren 16 Verkaufsstellen bedeutet der Kassensturz allerdings viel mehr als das.

Es ist der Moment, in dem sich zeigt, wie ertragreich der Tag hier und heute war. Die erzielten Einnahmen bilden die Basis dieses Erfolgs. Wichtig sind unter anderem aber auch die unverkauften Backwaren, die zurückgehen müssen, genannt Retouren. Sie sind eine kritische Kostengröße im Filialgeschäft.

Die Verkaufskraft rechnet zusammen: 2.130 Euro Umsatz und 25 Arbeitsstunden ergeben eine Stundenleistung von 85,20 Euro. Das passt zu den Vorgaben der Geschäftsleitung. Am Standort gibt es nicht nur einen hohen Backwarenverkauf an der Theke, sondern auch 45 Sitzplätze außen und innen für den Vor-Ort-Verzehr.

Was wurde jedoch nicht verkauft? Am Morgen sind Waren im Wert von 2.530 Euro geliefert worden. Der Wert der übrig gebliebenen Artikel beträgt in Summe 349 Euro brutto. Wie aber ist dieser Betrag zu bewerten?

Retouren berechnen
Um die Retourenquote zu ermitteln, wird der Wert aus der gesamten Retoure mal einhundert dem Lieferwert gegenübergestellt, jeweils bezogen auf den Brutto-Verkaufspreis. Prozentual betrachtet beläuft sich die Retourenquote in der beispielhaften Musterfiliale auf 13,8 Prozent. Die entsprechende Formel hierzu sieht so aus:

Retourenwert (zum Verkaufspreis) x 100 / Lieferwert (zum Verkaufspreis) = Retourenquote in Prozent

Beispielrechnung
349 Euro x 100 / 2.530 Euro = 13,8 Prozent

Wer aufgepasst hat, erkennt, dass in der Beispielrechnung noch 51 Euro fehlen. 2.130 plus 349 Euro ergeben 2.479 Euro, nicht aber 2.530 Euro. Eine solche Differenz kann zum Beispiel aufgrund von Fehlern bei der Wareneingangskontrolle oder auch durch Beschädigung der Backwaren sowie Verkostungen entstehen. Diese Faktoren führen schnell zu einer verzerrten Retourenbewertung und damit auch oftmals zu einer falschen Neubestellung, sofern sie nicht differenziert erfasst werden. In der Praxis kommt es vor, dass beispielsweise Bruch irrtümlich der Retoure zugerechnet wird, obgleich es sich dabei gar nicht um unverkaufte Ware handelt. Die daraus errechnete Retourenquote wäre dann nicht mehr korrekt. Jeden Vorgang richtig zu buchen ist daher wichtig, um Differenzen zu vermeiden oder zu einer fehlerhaften Einschätzung der Retoure zu kommen.

Aus der ermittelten Retoure ergibt sich dann auch, welche Produktmengen einem nachgelagerten Verwendungszweck zugeführt werden müssen. Unverkaufte Backwaren gehen beispielsweise an soziale Einrichtungen, werden als Vortagsware verkauft, als Altbrot verbacken oder als Tierfutter verwertet.

So liebt es die Kundschaft: ein gefülltes Brotregal und eine üppige Bäckereitheke bis kurz vor Ladenschluss

Genaue Betrachtung
Die tägliche Auseinandersetzung mit der Filialretoure ist angesichts steigender Produktionskosten unumgänglich. Das gilt für die Gesamthöhe, aber noch viel mehr für die Zusammensetzung der nicht verkauften Ware. Gerade letztere ist wichtig für den Umsatz und das Image einer Bäckerei. Ziel sollte es immer sein, die Retoure so gering wie möglich zu halten und dabei gleichzeitig den Bedarf der Kundschaft trotzdem möglichst optimal abzudecken.

Denn nach wie vor erwarten Konsumentinnen und Konsumenten selbst am Abend noch eine gut gefüllte Bäckereitheke, auch wenn das Thema Nachhaltigkeit in allen Lebensbereichen an Bedeutung zunimmt. Es ist daher wichtig, sehr genau zu schauen, welche Produkte besonders nachgefragt werden und welche regelmäßig liegen bleiben.

Der Blick auf diese Details in der Dortmunder Beispielverkaufsstelle ergibt ein eher durchwachsenes Bild. Es gehen viele Weizenbrötchen zurück, dazu ein paar Körnerbrötchen, das ist noch akzeptabel, denn ihre Herstellungskosten sind überschaubar. Aber das Brot war zu knapp, die beliebteste Sorte sogar frühzeitig ausverkauft. Das ist nicht gut. Bei den Snacks findet sich nichts Auffälliges. Es sind drei belegte Brötchen und sechs überbackene Snacks übrig.

Der absolute Retourentreiber kam eindeutig aus der süßen Ecke. Es sind viele Berliner, Pflaumendatschi sowie Nussschnecken und dazu noch mehrere Stücke Kuchen liegen geblieben. Bei ihnen sind sowohl der Wareneinsatz als auch der Herstellungsaufwand hoch, was Retouren in diesem Bereich besonders schmerzhaft macht.

Allerdings war es einfach zu heiß und daher kein Kuchenwetter. Der Blick auf die Vorhersage verrät ähnliche Temperaturen für die kommenden Tage. Jetzt gilt es schnellstmöglich, die nächste Bestellung anzupassen. Das süße Sortiment sollte reduziert, bei einigen Brotsorten hingegen nachgelegt werden.

Ob eine Retourenquote von 13,8 Prozent an sich als gut oder schlecht zu bewerten ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Die Sortimentszusammenstellung verschiedener Standorte unterscheiden sich zum Teil deutlich, denn je nach Umfeld und Zielgruppe gibt es an der einen Stelle mehr Brot und Brötchen, an anderer eine größere Menge Snacks und/oder Kuchen. Bei den letztgenannten Produkten ist der Wareneinsatz meist per se höher.

Kleinere Verkaufsstellen haben außerdem in der Regel eine höhere Retourenquote als große, weil die Gesamtmenge der gelieferten Produkte geringer ausfällt und daher einzelne unverkaufte Artikel stärker ins Gewicht fallen. Damit geraten diese Standorte in puncto Mengenreduktion oft schneller ins Visier. Die hohe Retoure zieht dann pauschale Kürzungen bei der Liefermenge nach sich. Nicht immer ist das die beste Lösung.

Die errechnete Quote ist als grobe Orientierung zwar zweckmäßig und gängige Praxis, in diesem speziellen Fall aber auch irreführend. Der Schlüssel zur sinnvollen Reduzierung der Retouren liegt im Detail. Entscheidend sind der nominale Euro-Wert einzelner Artikel sowie die konkreten Bedürfnisse der Kundschaft in der letzten Tagesphase.

Idealerweise sind auch abends noch ausreichend Standardbrot- und Brötchensorten vorrätig

Geeignete Maßnahmen
Eine Theke, die gen Abend ausschließlich mit Kuchen bestückt ist, ist für Kundinnen und Kunden schlicht unattraktiv und damit umsatzschädigend für die Bäckerei. Zur Abendbrotzeit sind Brote und Brötchen gefragt statt Schwarzwälder Kirsch und Plunder. Gibt es das Gewünschte nicht mehr, kauft man nichts oder nur das Nötigste. Ein oder zwei weitere zähneknirschende Erlebnisse später sucht man sich dann eben eine andere Einkaufsstätte.

Dabei lässt sich selbst mit wenigen Standardbrot- und Brötchensorten auch abends eine ansehnliche Warenpräsentation erstellen. Und noch wichtiger: Gerade diese beiden Warengruppen zeichnen sich durch einen tendenziell eher niedrigen Wareneinsatz aus, sie „schmerzen“ daher weniger in der Retoure. Produkte mit einem hohen Wareneinsatz, also auch Spezialitätenbrote mit besonders hochpreisigen Zutaten, sollten bei Ladenschluss hingegen möglichst ausverkauft sein.

Grundsätzlich gilt außerdem: Belegte Snacks, Sahneartikel, Zukaufartikel und Handelswaren (zum Beispiel Fleischwaren) sowie selbst verpackte Produkte (beispielsweise Salate oder Sandwiches) sollten mehrheitlich eine sehr geringe Retourenquote oder im Idealfall Null-Retouren aufweisen.

Zwar muss sich auch der süße Bereich in der Retoure wiederfinden, um die Bedürfnisse einzelner Kundinnen und Kunden zu erfüllen, jedoch nur artikelspezifisch und mengenmäßig stark begrenzt. Hier bietet sich zum Beispiel der Einsatz von mehrtägig haltbaren Produkten an, dazu zählen Muffins, Schweineohren oder Dessertgebäck sowie Dauergebäck, zum Beispiel Nussecken.

Solche Artikel ersetzen zwar Obstplunder nicht zu 100 Prozent, sind erfahrungsgemäß aber eine akzeptierte Alternative. Voraussetzung dafür ist, dass das Produkt attraktiv und lecker ist, keine Notlösung. Aus diesem Grund ist dem Dessertgebäck in der morgendlichen Warenpräsentation bei Platzmangel keine gesteigerte Aufmerksamkeit zu schenken. Erst wenn der Ladenschluss naht und die Verkaufslücken größer werden, rutscht es auf die besser sichtbaren Flächen.

Welche Retourenquote angemessen ist, ist von Standort und Konzept des Betriebes abhängig

Sinnvoller Bewertungsmaßstab
Nochmal zurück zur 349-Euro-Retoure der Dortmunder Verkaufsstelle. Ob sie wirklich als gut oder schlecht zu bewerten ist, ist einzig und allein abhängig von den Maßstäben und Vorgaben des Unternehmens. Wie möchte sich die Bäckerei am Ende des Tages präsentieren? Welche Produkte sind an genau diesem Standort gegen Abend wichtig? Welche Retoure kann man sich wirtschaftlich leisten? Es bedarf genauer Zielvorgaben.

Einen branchenüblichen Richtwert gibt es für den Dortmunder Standort dennoch: Ein Backwarengeschäft mit zirka 20-prozentigem Im-Haus-Verzehranteil und einem monatlichen Umsatz von mehr als 60.000 Euro sollte einen Retourenwert von etwa 10 bis 11 Prozent aufweisen. Dieser Wert reicht aus, um täglich eine interessante Spätpräsentation zu gewährleisten.

Je nach Umfeld einer Verkaufsstelle kann die Quote durchschnittlich aber auch zwischen 12,5 und 13,5 Prozent betragen und dabei immer noch rentabel sein. Hier lohnt sich der brancheninterne Vergleich mit ähnlichen Standorten bei einem vergleichbaren Sortiment. Bei der Konkretisierung und Strukturierung der unternehmenseigenen Vorstellungen zur Retourenquote darf diese Leitfrage als Vorlage dienen: Welche Produkte sollen in welcher Menge und in welcher Form gen Ladenschluss gezeigt werden?

Die Überlegung mündet bestenfalls in eine Liste mit produktgenauen Soll-Vorgaben, aufgesplittet nach Warengruppen und gespeist mit den wichtigen Unternehmensprodukten. Ein Foto der Theke zeigt an, wie die Vorgaben am jeweiligen Standort umzusetzen sind.

Retourenmanagement braucht Disziplin
In einem Tabellenkalkulationsprogramm entworfen und mit einfachen Formeln hinterlegt, lässt sich, schon beinahe spielerisch, eine Optimalretoure entwerfen. Dass diese Vorgaben tatsächlich fast nie exakt eintreffen, spielt dabei keine Rolle und ist auch nicht das Ziel. Vielmehr geht es darum, allen Bestellverantwortlichen in den Filialen pro Produkt Richtwerte zu geben. Sie dienen als Leitplanken und werden bei Bedarf angepasst. Und das möglichst konsequent.

Die Arbeit mit der Retoure ist, im übertragenen Sinne, kein Sprint, sondern ein Marathon. Es braucht Disziplin und einen langen Atem, sich tagtäglich damit auseinanderzusetzen. Automatisierte Bestellsysteme, die auf Algorithmen beruhen, helfen, doch noch braucht es selbst bei digitaler Unterstützung Menschen, die die ermittelten Ergebnisse prüfen und gegebenenfalls korrigierend eingreifen.

Ob mit oder ohne EDV-Unterstützung – bei der Taxierung der richtigen Bestellmenge werden immer wieder Unschärfen auftreten. Sei es durch die Einführung neuer Artikel, die spätere Belieferung des Standortes, Diebstahl, unvorhersehbare Wetter- oder Wettbewerbseffekte sowie schlicht das unberechenbare Kaufverhalten der Kundschaft.

Die Reihe der möglichen Ausnahmen ist lang und darf dennoch keine Rechtfertigung für Nichtstun sein. Die Investition in die strukturierte Optimierung der Retoure lohnt sich auf jeden Fall. Jeder Artikel, der unnötigerweise übrig bleibt, kostet Umsatz und ist auch ethisch fragwürdig. Die Weiterverwendung oder Verwertung von retournierten Artikeln ist immer nur eine B-Lösung.

Beispielhaft noch einmal die Dortmunder Bäckerei: Ein realistisches Ziel ist es, den jetzigen Retourenwert von durchschnittlich 13,8 auf 10,5 Prozent zu verbessern, und zwar qualitativ sowie quantitativ. Das bedeutet, einen geringeren Retouren-Gesamtwert bei einer verbesserten Zusammensetzung der vorrätigen Produkte zu erzielen.

Gemessen am durchschnittlichen Lieferwert pro Tag von 2.530 Euro entspräche das einem täglichen Rückgang des Retourenwertes von 84 Euro, also dem festgelegten Verkaufspreis inklusive Mehrwertsteuer. Hochgerechnet auf ein volles Jahr – bei 358 Verkaufstagen einschließlich Sonntagsöffnung – ergibt sich eine Summe von Waren im Verkaufswert von 30.072 Euro, deren Produktion eingespart werden kann. Wohlgemerkt nur bei dieser einzigen Filiale. Jeder Standort sollte nach den aufgeführten Kriterien einzeln bewertet werden.

Das Projekt Retourenoptimierung ist aufwändig und benötigt einen langen Atem. Es ist aber auch in vielerlei Hinsicht lohnend, für das Unternehmen ebenso wie für die Kundschaft. Gerade für sie ist nämlich weniger oft mehr. Hauptsache, es sind am Ende die richtigen Produkte noch erhältlich.


Blick auf den Wareneinsatz
Eine weitere wichtige Kennzahl zur differenzierten Betrachtung des Retourenwertes ist der Wareneinsatz. Er berechnet sich aus den Rohstoffkosten für ein Produkt. Die Differenz zwischen Umsatzerlös und Wareneinsatz gibt Aufschluss darüber, welche Artikel in der Retoure besondere Kostentreiber sind.


Richtig Kommunizieren
Damit es mit der Retoure klappt, sollten sämtliche Beteiligten in die Planungen und Vorgänge einbezogen werden – auch die Verantwortlichen im Fachgeschäft, sofern die Bestellung dezentral organisiert ist, also aus den einzelnen Fachgeschäften heraus. Es ist wichtig, dass alle verstehen, was die Zielvorgaben der Unternehmensleitung inhaltlich bedeuten. Für das Verkaufspersonal ist oft weder eine Prozentangabe noch der Euro-Wert konkret greifbar. Sie zählen täglich die verbliebenen Produkte und denken daher eher in Stückzahlen. Hier braucht es eine Zielvorgabe für die einzelne Verkaufsstelle in Stück pro Artikel oder auch in Stück pro Warengruppe. Beispiel für eine vereinfachte Soll-Vorgabe

10 x Brot
25 x Brötchen
8 x Gebäckteilchen
5 x Kuchen
3 x Snack

Mit einer solchen Liste können dann die Wunsch- und Ist-Resultate abgeglichen werden. Über den täglichen Vergleich erkennen Verantwortliche im Fachgeschäft, wie treffgenau die Bestellung für den Tag war. Anhand dessen kann für die nächsten Tage auf Artikelebene nachjustiert werden.


Fotos:
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fabiomax
JackF


Auszug aus Ausgabe 04/2022

Dieser und weitere interessante Artikel erschienen in Ausgabe 04/2022 von BROTpro. Die komplette Ausgabe kann im Alles-rund-ums-Hobby-Shop bestellt, direkt im Browser gelesen oder über die App von BROT im Google Play Store beziehungsweise Apple App Store bezogen werden.

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Martin Bimpage

Martin Bimpage ist gelernter Industriekaufmann, staatlich geprüfter Betriebswirt und zertifizierter Trainer. Seit 28 Jahren arbeitet, trainiert und berät er in der Food- und Getränkebranche. Er war Unternehmensberater und Gesamtverkaufsleiter einer mittelständischen Bäckerei. Als selbstständiger Berater und Trainer unterstützt er seit 2021 Backbetriebe in den Bereichen Verkauf, Organisation und Personalentwicklung.